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Stadtentwicklung und WohneN

Stadtentwicklung und Wohnen

Über viele Jahre hinweg hat sich die Stadt Tübingen bei der Ausweisung neuer Wohngebiete weitestgehend auf die Innenentwicklung beschränkt. Auf den bis zum Anfang der 90er Jahre von französischem Militär belegten Liegenschaften in der Südstadt und auf Industriebrachen wie dem heutigen Mühlenviertel in Derendingen und dem Egeria-Gelände in Lustnau sind neue Wohnquartiere entstanden, in den Erdgeschossen zumeist mit nicht störendem Gewerbe kombiniert, von der Stadt kleinparzelliert zu Festpreisen zumeist an Baugruppen vergeben und von diesen kostengünstig und in großer Vielfalt so entwickelt, dass dieses Tübinger Modell, exemplarisch im städtebaulichen Entwicklungsbereich „Stuttgarter Straße/Französisches Viertel“ umgesetzt, vielfach ausgezeichnet worden ist. Diese neu entstandenen Quartiere waren zumeist Eigentumsmodelle, die nur in geringem Umfang mit Mietwohnungsbau kombiniert wurden.

Angesichts der Tatsache, dass die Einwohnerentwicklung der Stadt in dieser Zeit eher gedämpft verlief (nur etwa 2.000 Einwohner zusätzlich zwischen 1995 und 2005), spielte der Mietwohnungsbau und speziell der soziale Mietwohnungsbau, der Anfang des Jahrtausends fast ganz zum Erliegen gekommen war, kaum eine Rolle. Die im Zuge der Leitbilddiskussion „Tübingen 2030“ aufgekommene Forderung, in allen Tübinger Teilorten zumindest ein Neubaugebiet zu ermöglichen, waren insofern auch weniger wohnungspolitisch begründet als vielmehr aus der Überlegung heraus entstanden, dass die Aufrechterhaltung einer sozialen Infrastruktur im Bereich von Bildung und Betreuung vor Ort ein gewisses Maß an zusätzlichen Einwohnern zwingend voraussetzt.

Mit einer dynamischeren Entwicklung von Wissenschaft und Wirtschaft änderte sich dies sukzessive. Die Gründung des Wissenschafts- und Technologieparks auf der Oberen Viehweide mit ein er Fülle positiver Impulse auch für den Wirtschaftsstandort steht ebenso für diese Entwicklung wie Bewerbung der Universität um die Auszeichnung für ihr Zukunftskonzept im  Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder. Diese wissenschaftsbasierte Entwicklung von Stadt und Universität, von Wissenschaft und Wirtschaft führte auch zu einer deutlichen Steigerung der Einwohnerzahlen, die sich seit 2005 deutlich verstärkte.

2009 beteiligten sich Tübinger Wohnungsbauunternehmen mit 90 Wohneinheiten am neu aufgelegten Förderprogramm des Landes für den sozialen Wohnungsbau, ohne dass daraus eine konsequente Neuorientierung der Wohnungspolitik folgte. Zwischen 2012 und 2017 gab es zwar annähernd 2.000 Neubauprojekte, aber nur 168 geförderte Projekte des sozialen Wohnungsbaus, also nur wenig mehr als 8%. Eine grundlegende Neuorientierung hat sich erst in den letzten zwei Jahren ergeben.

In den Diskussionen um den neuen Flächennutzungsplan, für den das Land zunächst eine genehmigungsfähige Zahl von 64 ha zusätzlicher Wohnbaufläche vorgegeben hatte, zeichnete sich ebenso ein Konsens ab wie in  der Diskussion der Frage, wie denn die Nutzung dieser Flächen inhaltlich umgesetzt werden sollte. Bis zu 5.000 zusätzliche Wohnungen in zehn Jahren bilden das Mengengerüst, das dem Programm „Fairer Wohnen“ zugrunde liegt, das der Gemeinderat einstimmig beschlossen hat. Etwa die Hälfte dieser Wohnungen sollte preisgedämpft oder preisreguliert sein (die andere Hälfte frei finanziert); davon wiederum die Hälfte nach dem Landeswohnungsbauprogramm gefördert, also zu 30% unter der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Bei einer ortsüblichen Vergleichsmiete von etwas über 9 € ergibt sich – wenn diese Vorgaben eingehalten werden – eine Kaltmiete von etwa 7 € für mindestens 100 zusätzliche Wohnungen pro Jahr. Ebenfalls an der ortüblichen Vergleichsmiete orientiert, zwischen 7 und 10 € Kaltmiete pro Quadratmeter, sollten weitere 100 Wohnungen entstehen. Das ist ein ehrgeiziges Konzept, das auch seitens der Wohnungsbauunternehmen die Bereitschaft zum Mitmachen voraussetzt, das aber nicht unzumutbar ist.

Die Flächen, auf denen sich dies umsetzten lässt, sind klar definiert. Eine wesentliche Rolle dabei spielt der Saiben, der einen erheblichen Beitrag dazu zu leisten hat, dass das Gesamtziel erreicht werden kann. Das Abrücken des Oberbürgermeisters von der Saiben-Bebauung halten wir für grundsätzlich falsch, weil es das opportunistische Einknicken vor einem vermeintlichen grünen Zeitgeist signalisiert. Auch wenn es rechnerisch möglich sein sollte, die benötigten zusätzlichen 5.000 Wohnungen ohne den Saiben herstellen zu können, spricht die dann notwendige Abwägung eher für als gegen die Bebauung des Saiben.