zur Vorlage 317a – Dachgenossenschaft Wohnen
Für die Förderung von Projekten genossenschaftlichen Wohnens mit öffentlichen Mitteln durch die Dachgenossenschaft Wohnen werden ergänzend folgende Kriterien festgelegt:
1.
Es werden Förderobergrenzen festgelegt, damit verhindert wird, dass auch Familien mit gehobenerem Einkommen dadurch in eine öffentliche Förderung gelangen, dass bei höheren Quadratmeterpreisen die zumutbare Belastung relativ sinkt und die öffentliche Förderung entsprechend steigt.
2.
Es werden Mindestbeträge für Eigenleistungen festgelegt, damit verhindert wird, dass ohne jegliche Eigenleistung eine öffentliche Förderung des Eigentumserwerbs erfolgt.
3.
Es werden Regelungen getroffen, die sicherstellen, dass für eine kommunal mitbestimmte Dachgenossenschaft in energetischer Hinsicht dieselben Regeln gelten, auf die sich ein privater Erwerber verpflichten muss, der ein Grundstück von der Stadt erwirbt.
Zur Begründung wird auf ein Schreiben an Bürgermeister Soehlke verwiesen, das diesem Antrag beigefügt ist.
Tübingen, 23. Februar 2021
Dietmar Schöning
Anhang: E-Mail
Lieber Herr Soehlke,
unser gestriges, eher zufälliges Zusammentreffen hat mich daran erinnert, dass ich Ihnen noch eine Erläuterung meiner Bedenken gegen die Ausgestaltung der Dachgenossenschaft Wohnen zugesagt hatte. Ich habe darüber auch kurz mit Frau Hartmann gesprochen, die mich in dieser Sache angerufen hatte.
Eine mit öffentlichen Mitteln arbeitende Genossenschaft muss sich in ihrer Förderpolitik mit anderen Bereichen und anderen Instrumentarien vergleichen und messen lassen, die ebenfalls die Versorgung breiter Kreise der Bevölkerung mit Wohnraum zum Ziel haben, also zum Beispiel der sozialen
Wohnraumförderung in der Mietwohnungsbau wie in der Eigentumsvariante, aber auch mit Wegen wie der staatlichen Förderung des Bausparens.
Gerade das letztgenannte Instrumentarium hat es (in der Vergangenheit wesentlich stärker als heute) vielen Familien mit mittlerem Einkommen ermöglicht, meist über Jahrzehnte hinweg ein eher bescheidenes Eigentum an Reihen- und Doppelhäusern oder auch an Eigentumswohnungen in mehrgeschossigen Häusern zu erwerben. Die erforderlichen Bausparbeträge und die staatlichen Prämien waren vielfach gering , so dass die Eigentumsbildung erst über Jahrzehnte hinweg möglich war. Ohne Eigenleistung aber gab es die Möglichkeit eines Eigentumserwerbs nicht.
Vor diesem Hintergrund darf eine Genossenschaft sich selbstverständlich auch so organisieren, dass die Gemeinschaft Mitglieder aufnimmt und mitträgt, die selbst nicht in de Lage wären, Eigentum zu erwerben. Bei einer Genossenschaft mit öffentlicher Beteiligung aber, die den Eigentumserwerb mit öffentlichen Mitteln fördert, habe ich ganz erhebliche Zweifel.
Am anderen Ende der Einkommensskala habe ich ebenfalls Zweifel: die Gemeinderatsvorlage arbeitet (auch) mit Bespielen, die in beiden Wegen der sozialen Wohnraumförderung außerhalb der Fördergrenzen liegen, 4.000 € je Quadratmeter sind zwar möglicherweise Tübinger Realität, gleichwohl aber nicht die Normalität des sozialen Wohnungsbau aus. Zudem ist in der gesamten Vorlage nicht von Obergrenzen die Rede, so dass insoweit auch Quadratmeterpreise von 4.500 oder 5.000 € möglich wären. Da nach dem Regelwerk damit zugleich die zumutbare Belastung der Genossen relativ sinkt, ergibt sich eine mit steigenden Quadratmeterpreisen steigende öffentliche Förderung.
Dieses Ergebnis kann nicht richtig sein. Auch hier gilt: was eine Genossenschaft in eigener Verantwortung regelt, ist ihre eigene Sache; soweit sie aber Ansprüche auf öffentliche Förderung erwerben will, müssen derartige Fälle ausgeschlossen sein.
Ebenfalls nicht überzeugend ist die Aussage der Gemeinderatsvorlage, Bauvorhaben der Genossenschaft würden in energetischer Hinsicht die gesetzlichen Anforderungen stets übertreffen. Das klingt besser als es ist, denn KfW-55 ist auch mehr als die gesetzliche. Mindestvorgabe, aber eben doch nicht Tübinger Standard. Und dasselbe muss auch für andere Anforderungen des Klimaschutzprogramms gelten: die Genossenschaft, die (auch) mit öffentlichen Mittel arbeitet, muss sich verpflichten, all die Anforderungen zu erfüllen, auf die sich ein privater Bauherr verpflichten lassen muss, der ein Grundstück von der Stadt erwirbt.
Auch jenseits dieser Punkte gibt es unterschiedliche Einschätzungen zur künftigen Entwicklung des Wohnens und der Wohnungsbauprogramme in der Stadt. Liberale gehören nun einmal nicht zu denen, denen bei privatem Wohneigentum nicht Freiheit und Sicherheit, sondern stets nur Spekulation und Ausbeutung einfällt. Aber dieser Grunddissens sollte uns nicht daran hindern, für die Entwicklung der Stadt insgesamt förderliche Wege auch im Bereich genossenschaftlicher Modelle des Wohnens einzuschlagen.
Freundliche Grüße
Dietmar Schöning