Eingereicht am 05.06.2025
Antrag:
Die Verwaltung wird beauftragt, dem Gemeinderat eine alternative Finanzplanung vorzulegen, die ohne Erhöhung von Steuern oder Abgaben auskommt und einen Beitrag zur Schließung der aktuellen Haushaltslücke von ca. 12 Mio. Euro leistet. Diese Planung soll konkrete Konsolidierungsvorschläge enthalten und sich an den Grundsätzen der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung gemäß § 77 Abs. 1 und 2 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg orientieren.[1]
Im Zentrum der Betrachtung sollen insbesondere die freiwilligen Leistungen der Stadt, die Personalausstattung sowie die langfristige Investitionsplanung stehen. Die Verwaltung wird aufgefordert, sämtliche freiwilligen Leistungen der Stadt Tübingen vollständig aufzulisten und ihr jeweiliges Finanzvolumen transparent darzustellen. Dabei ist explizit kenntlich zu machen, in welchen Bereichen die Stadt über gesetzliche Mindeststandards hinausgeht („Tübinger Weg“) und welche Mehrausgaben dadurch entstehen. Diese Leistungen sind kritisch auf ihre Wirksamkeit, Notwendigkeit und Priorität zu überprüfen.
Darüber hinaus ist eine differenzierte Aufstellung der Personalentwicklung der Stadtverwaltung in den letzten Jahren vorzulegen. Diese hat sowohl nach Anzahl der Stellen als auch nach Aufgabenbereichen und Zuständigkeiten zu erfolgen. Ein besonderer Fokus ist dabei auf den Auf- und Ausbau von Beauftragten- und Koordinierungsstellen (z. B. für Diversität, Gender, Nachhaltigkeit, Klimaschutz etc.) zu legen. Die Verwaltung wird gebeten, Vorschläge für mögliche Stelleneinsparungen, -zusammenlegungen oder -streichungen zu erarbeiten, mit dem Ziel, den Personalaufwand spürbar zu reduzieren.
Ferner wird die Verwaltung beauftragt, eine Investitionsübersicht für die kommenden zehn Jahre vorzulegen. Diese hat sämtliche größeren Vorhaben aufzuführen, einschließlich Angabe von Höhe, Finanzierung, Folgekosten (Personal-, Betriebs- und Unterhaltungskosten) sowie der Auswirkungen auf Liquidität, Verschuldung und Tilgungsverpflichtungen. Dabei sind insbesondere auch die mittlerweile vorgelegten Anpassungen gemäß Vorlage 76/2025 und deren Anlage 1 zu berücksichtigen, wonach investive Auszahlungen zwar bereits um rund 7 Mio. EUR reduziert wurden, aber weiterhin zusätzliche Einsparungen zur Schließung der vom Regierungspräsidium geforderten Konsolidierungslücke von weiteren 12 Mio. EUR notwendig sind. Zudem sind die geplanten Kreditaufnahmen im Finanzplanungszeitraum 2025–2028 in Höhe von insgesamt 120,4 Mio. EUR sowie die nahezu vollständige Aufzehrung der städtischen Liquiditätsreserve bis Ende 2025 aufzugreifen.
Abschließend ist darzustellen, welche Aufgaben von Bund und Land in den vergangenen Jahren auf die Stadt Tübingen übertragen wurden, ohne dass eine entsprechende finanzielle Gegenleistung erfolgte. Die hierdurch jährlich entstehenden Mehraufwendungen sind transparent zu beziffern.
Antragsbegründung:
Die finanzielle Situation der Universitätsstadt Tübingen ist angespannt. Angesichts eines strukturellen Defizits im Haushalt, der drohenden weiteren Verschuldung und zunehmender gesamtwirtschaftlicher Unsicherheiten ist es zwingend erforderlich, die eigenen Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Dabei ist es nicht ausreichend, Steuererhöhungen als schnellen Ausweg zu wählen. Steuererhöhungen entziehen der lokalen Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern weiteres Kapital und wirken in Zeiten ohnehin hoher Belastungen konjunktur- und wachstumshemmend.
Stattdessen ist es Aufgabe der Verwaltung, auf Basis einer faktenbasierten und transparenten Analyse aufzuzeigen, wie durch eine strategische Priorisierung der Aufgaben, den Abbau von Doppelstrukturen und eine Konzentration auf gesetzlich gebotene Leistungen eine aufkommensneutrale Konsolidierung möglich ist.
Die Stadt Tübingen hat über viele Jahre hinweg über ihre Verhältnisse gelebt. Ein dauerhafter Ausgleich ist nur möglich, wenn sich alle Bereiche, auch solche mit hohem politischen Symbolwert, an der Haushaltskonsolidierung beteiligen. Eine rein ideologisch motivierte Ausweitung freiwilliger Aufgaben ohne klare Wirkungskontrolle ist mit einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik nicht vereinbar.
Wir erwarten, dass die Verwaltung ihrer Verantwortung gerecht wird und den Gemeinderat in die Lage versetzt, auf einer soliden Entscheidungsgrundlage Maßnahmen zur Sicherung der langfristigen Handlungsfähigkeit der Stadt zu ergreifen, ohne zusätzliche Belastungen für die Bürgerschaft.
Für die AL/Grüne-Fraktion
Für die SPD-Fraktion
Für die Tübinger Liste-Fraktion Thomas Unger
Für die CDU-Fraktion Julia Mayer
Für die FDP-Fraktion Anne Kreim
Für die Linke-Fraktion
Für Die FRAKTION-PARTEI, DiB, Huhn
[1] (1) Die Gemeinde hat ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Dabei ist den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts grundsätzlich Rechnung zu tragen.
(2) Die Haushaltswirtschaft ist sparsam und wirtschaftlich zu führen.
https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/jlr-GemOBWV11P77