Der Landkreis und die Bildung
Die beruflichen Schulen und die früheren Sonderschulen für geistig Behinderte, heute sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren, beide mit Standorten in Tübingen und Rottenburg, standen schon immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Kreistags. Zur Zeit laufen die Vorbereitungen für einen weiteren räumlichen Ausbau der Berufsschulzentren; und in ihrer Ausstattung werden sie an die neuen Herausforderungen angepasst, die sich mit der zunehmenden Digitalisierung in der Wirtschaft auch für die berufliche Bildung stellen. Es ist gut, dass dieses Stück Zukunftssicherung im Kreistag fast immer einstimmig vorangebracht worden ist.
Den beruflichen Gymnasien galt immer unsere besondere Aufmerksamkeit. Weil zu befürchten war, dass neue Oberstufenangebote an den Gemeinschaftsschulen zu Lasten des differenzierten Systems beruflicher Gymnasien gehen würden, haben wir uns gegen eine gymnasiale Oberstufe für die Tübinger Gemeinschaftsschulen ausgesprochen. Die Entscheidung ist anders gefallen; niemand will sie wieder rückgängig machen.
Die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren werden unverändert gebraucht. Ein wesentlicher Teil der Eltern wünscht sich diese Form der Beschulung ihrer Kinder, und der Stand der Inklusion von Kindern mit verschiedensten Formen der Behinderung im allgemeinen Schulwesen ist nicht so, dass man dies allen Eltern anraten könnte. Um Wahlfreiheit tatsächlich zu gewährleisten, ist eine wesentlich verbesserte Ausstattung inklusiven Unterrichts unabdingbare Voraussetzung.
Der Ausbau des ÖPNV und die Regionalstadtbahn
Mit der Nahverkehrsplanung des Landkreises ist das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs sukzessive verbessert worden; zugleich ist die Barrierefreiheit des ÖPNV in großen Schritten verbessert worden. Mit der zur Regel gewordenen Ausschreibung von Verkehrsleistungen in Form von Linienbündeln konnten Effizienzgewinne erreicht werden, die in der Regel für eine Verbesserung des Verkehrsangebots genutzt wurden.
Die mit dem neuen ÖPNV-Gesetz des Landes gewachsenen Handlungsmöglichkeiten der Landkreise müssen dazu genutzt werden, Verbesserungen im Bereich der Schülertarife und wirksame Sozialrabatte im Tarifgefüge des Verkehrsverbunds NALDO zu verankern. Schülerbeförderungsleistungen für Kinder aus sozial schwächeren Familien müssen kostenfrei werden, wie es das Starke-Familien-Gesetz des Bundes vorsieht. Die Regelungen des Landkreises sind daran anzupassen.
Einen großen Schritt nach vorn für eine effiziente und umweltverträgliche Verkehrspolitik bringt die Umsetzung der Planungen für eine Regionalstadtbahn: Der Spatenstich für das Modul 1 zwischen Herrenberg und Bad Urach hat am 3. Mai stattgefunden; wenn es gut läuft, schaffen wir es, in der kommenden Amtsperiode auch die Strecken zwischen Tübingen – Rottenburg und Horb und die Zollernbahn zwischen Tübingen und Albstadt-Ebingen in Angriff zu nehmen.
Der weitere große Schritt wäre die Fortführung der dann elektrifizierten Strecken aus der Region auf einer Bündelungstrasse in die Innenstädte von Tübingen und Reutlingen zu den Schwerpunkten des dortigen Verkehrsaufkommens. Die Verknüpfung von drinnen und draußen, von Stadt und Region bietet die Chance, weit mehr Menschen komfortabel, sicher und schnell zu ihren Zielen in den Städten zu transportieren, als es heute möglich ist. Die Verlagerung relevanter Anteile des Verkehrsaufkommens vom motorisierten Individualverkehr auf die lokal emissionsfreie Schiene wäre ein ganz wesentlicher Beitrag zur Bekämpfung des Staus, zur Luftreinhaltung und zum Klimaschutz.
Bundes- und Landesverkehrswegepläne und der Landkreis
So langsam nähert sich der Zeitpunkt, dass die seit langem im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans verankerten Maßnahmen auch tatsächlich in Angriff genommen werden: Die B 28 neu zwischen Tübingen und Rottenburg ist im Bau, weitere Maßnahmen vor dem Autobahnanschluss folgen. Und die beiden noch fehlenden Abschnitte des Ausbaus der B 27, der Schindhaubasistunnel in Tübingen und die Umfahrung Ofterdingens (Abschnitt Nehren – Bodelshausen) sind so eingeplant, dass in fünf bzw. zehn Jahren real gebaut wird. Die jahrzehntelangen Nadelöhre für die Verkehre von Süden nach Stuttgart und zur Autobahn hätten dann ein Ende.
In der Verantwortung des Kreises stehen nur wenige, vor allem kleinere Straßenbaumaßnahmen an. Dazu kommt ein kontinuierliches Belagserneuerungsprogramm, das die vorhandenen Straßen in Schuss hält. Gewicht aber hat der Ausbau von Radschnellwegen auf den Relationen Reutlingen – Tübingen, Rottenburg – Tübingen und Mössingen – Tübingen, mit dem (wie bei der Regionalstadtbahn) eine Verlagerung von Anteilen des Verkehrs vom MIV auf den sogenannten Umweltverbund erreicht werden kann; im Zusammenwirken von Kreis, Land und den größeren Städten der Region kann in den kommenden Jahren hier vorbildliches geleistet werden.
Der Kreis und die gesetzlichen Sozialleistungen
Eine Vielzahl von sozialen Leistungen, die der Bundesgesetzgeber veranlasst, werden auf der Kreisebene durchgeführt, ohne dass erhebliche Steuerungsmöglichkeiten für den Kreis gegeben wären. Umso mehr müssen die Kreise darauf drängen, dass sie bei neuen oder veränderten Leistungen mit dem Mehraufwand nicht allein gelassen werden, sondern nach dem Konnexitätsprinzip („wer bestellt, zahlt“) einen vollen Ausgleich erhalten.
Bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit ist dies in vollem Umfang gelungen, weil nach jahrelangen Auseinandersetzungen eine vollständige Kostenerstattung durch den Bund erreicht werden konnte.
Bei der – inhaltlich richtigen – Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes ist dies noch nicht gelungen. Und der gravierendste Punkt gegenwärtiger Auseinandersetzung, die Ankündigung des Bundes, sich aus der Unterstützung der Kommunen bei der Integration von Flüchtlingen weitgehend zurückzuziehen, ist noch in keiner Weise gelöst. Wer gelingende Integration postuliert, muss den Kommunen die dafür notwendigen Mittel zukommen lassen, für die Anstrengungen beim Spracherwerb, für den Aufwand bei Bildung und Betreuung, und für die dezentrale Anschlussunterbringung der Flüchtlinge. Aus den zurückgehenden Zugangszahlen auf einen zurückgehenden Finanzbedarf zu schließen, ist grundfalsch.
Freie Initiativen und der Haushalt des Kreises
So sehr die sozialen Leistungen des Kreises durch die großen gesetzlichen Sozialleistungen geprägt sind, so sehr sind gleichwohl auch die vielen Kleinen Initiativen, Vereine und Institutionen von Bedeutung, die der Kreis im Bereich der Bildung, der Kultur, des Sozialen, der Gesundheit, der Gleichstellung oder im Bereich von Jugend und Sport unterstützt. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, diese Zuwendungen alle drei Jahre zu überprüfen und bei fortbestehendem Förderbedarf an die gestiegenen (Lohn- und Sach-) Kosten anzupassen. Diese Überprüfung soll immer auch Anlass sein, eine vernünftige Arbeitsteilung zwischen dem Kreis und den Großen Kreisstädten zu verabreden, um einen doppelten Aufwand bei der Förderung, deren Abrechnung und deren Überprüfung zu vermeiden.
Die Förderung dies Bereichs, der wesentlich von ehrenamtlichem Engagement getragen wird, sollte selbstverständlicher Bestandteil der Haushaltspolitik des Kreises sein und keine Manövriermasse, die an sich in guten Zeiten leisten, in schlechten Zeiten aber auch wieder zusammenstreichen kann.
Ein solider Haushalt lebt davon, ihn auch in guten Zeiten nicht zu überdehnen, sondern Vorsorge zu treffen für schlechtere Zeiten, und vorsichtig zu sein mit den Verankerung von Leistungen und Personalstellen, die sich in schlechteren Zeiten nur schwer wieder abbauen lassen. Da sich der Kreis im Wesentlichen durch Umlagen seiner Gemeinden finanziert, sollte dies im Grunde selbstverständlich sein. Denn nur wer so verfährt, kann dann auch in schwierigeren Zeiten die Solidarität der Kreisgemeinden durch eine höhere Kreisumlage einfordern.