Jetzt sind es 30 Jahre Kreistag und 25 Jahre im Gemeinderat, auf die ich zurückblicken kann; doch genau das will ich heute nicht tun.
Ich möchte von Institutionen sprechen und der demokratischen Ordnung, von Respekt und Vertrauen und von den Grundlagen eines richtig verstandenen Verfassungspatriotismus.
Theodor Eschenburg – seinetwegen war ich nach Tübingen gekommen – ist immer wieder mal der Vorwurf gemacht worden, seine Politikwissenschaft erschöpfe sich in einer reinen Institutionenlehre.
Diesen Vorwurf aber kann man auch ins Positive wenden: denn ist es nicht so, dass der, der von der Gewaltenteilung weiß, der die Unabhängigkeit der Justiz und die Bindung aller vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz ebenso hochhält wie die Überprüfung allen staatlichen Handelns durch unabhängige Gerichte, bis hin zu den Möglichkeiten der Verfassungsbeschwerde und der Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht, dass der viel weiß von den Institutionen des demokratischen Rechtsstaats ?!
Und ist es nicht so, dass der, der sich auskennt mit den Aufgaben und Kompetenzen von Bundestag und Bundesrat, mit der Garantie der bundesstaatlichen Ordnung und mit der bundesstaatlichen Finanzverfassung ebenso wie mit der Garantie kommunaler Selbstverwaltung, dass der viel weiß von den Institutionen des bundesrepublikanischen Föderalismus ?!
Und ist es drittens nicht so, dass der, der den Grundrechtskatalog kennt, mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde als Leitstern – wie Günter Dürig es formuliert hat -, der weiß, dass kein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf, und der die Ewigkeitsgarantien des Artikel 79 der Verfassung kennt, dass der viel weiß von den Institutionen, die die verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger bewahren ?!
Nein, Institutionenlehre, so verstanden, kann kein Vorwurf sein; denn diese Institutionenlehre schafft ein Verständnis vom Rechtsstaat, vom Sozialstaat, von Föderalismus und kommunaler Selbstverwaltung, und von den unveräußerlichen Grundrechten, die unsere freiheitliche Verfassung prägen und auszeichnen.
Institutionenlehre, so verstanden, schafft erst die Grundlage dafür, dass Verfassungspatriotismus in Deutschland überhaupt entstehen kann.
Institutionen sind wertvoll und wichtig für eine demokratische Ordnung, sie verdienen Unterstützung und Respekt. Und dieser Respekt den Institutionen gegenüber darf, bei aller (berechtigten oder unberechtigten) Kritik an den Menschen oder den Parteien, die aktuell eine Regierung, ein Parlament, eine Opposition oder auch ein Gericht prägen, nicht verloren gehen.
Die Maßlosigkeit, mit der teilweise über die Institutionen der Demokratie hergezogen wird, macht mir Sorge. Die rechtsextreme und rechtsradikale Kritik ist so unappetitlich, dass man sie schon fast nicht erwähnen mag.
Aber weit darüber hinaus finden sich in den sozialen Medien Beiträge über Beiträge, denen zu widersprechen nicht nur erlaubt, sondern notwendig ist. Und ganz allgemein gilt: wenn Demokratie verächtlich gemacht wird, ist das nie ein Beitrag zur politischen Aufklärung und politischen Bildung, und die Freiheit der Meinung tut sich schwer damit, dies einfach hinzunehmen, ohne laut aufzuschreien.
Respekt vor den Institutionen des demokratischen Staates – Niklas Luhmann, ein systemtheoretisch orientierter Soziologe, hat schon 1968 „Vertrauen“ definiert als einen „Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität“. Eine Gesellschaft braucht solche Mechanismen, um ein gemeinsames Fundament der gesellschaftlichen Debatte entwickeln zu können. Institutionen, die das Vertrauen von Menschen genießen, sind unabdingbar für den Zusammenhalt von Gesellschaft überhaupt; und das gilt gerade jetzt, da Institutionen, die diesen Zusammenhalt über lange Zeit hinweg mit organisiert haben, dabei sind, ihre Bindungskraft mehr und mehr einzubüßen.
Das geht deutlich über das hinaus, was ich über die Institutionen des demokratischen Staates gesagt habe, aber es geht doch in dieselbe Richtung, Vertrauen zu entwickeln, Respekt und Unterstützung für die Institutionen unserer Gesellschaft.
Wir brauchen das auch, wenn wir große gesellschaftliche Debatten bestehen wollen wie jetzt die Debatte, wie schnell und mit welchen Mitteln diese Gesellschaft als sich zutraut, auf die Klimagefährdung zu reagieren. Auch hier gilt es, Vertrauen zu schaffen zwischen etablierter Politik in den verschiedensten Farbschattierungen, den verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Institutionen und einer jugendlichen Bewegung wie fridays for future.Wir haben uns viel vorgenommen in dieser Stadt. Und es wird darauf ankommen, über die Proklamation von Zielen hinaus – „2030 klimaneutral“ ist flott und leicht formuliert – zu konkreten Antworten zu kommen, die auch zeigen, wie es tatsächlich gehen kann, und für die sich dann ein überwiegender Konsens in der Stadt finden lässt.