Ein Blick auf die Haushaltslage der Stadt lässt Spielraum für unterschiedliche Interpretationen: der vorläufige Jahresabschluss für das Jahr 2020 fällt deutlich besser aus als ursprünglich kalkuliert – statt eines Fehlbetrags des Ergebnishaushalts in knapp zweistelliger Millionenhöhe, wie er im Haushaltsplan verankert worden war, hat sich jetzt ein Überschuss in ähnlicher Höhe ergeben; maßgeblich dafür sind vor allem deutlich höhere Einnahmen bei der Gewerbesteuer und beim kommunalen Finanzausgleich, dessen Umfang eben auch einen Zuwachs bei den Steuereinnahmen des Landes widerspiegelt. Auch der Zwischenbericht zum Stand der Haushaltswirtschaft im laufenden Jahr hatte ein deutlich höheres Gewerbesteueraufkommen ausgewiesen, als es im Haushaltsplan 2021 veranschlagt worden war. Alles in Ordnung also ? Keine Sorgen für den Haushalt des kommenden Jahres, der im Januar im Gemeinderat eingebracht wird ?
Wohl kaum; denn schon der Haushaltsvollzug des laufenden wie des Vorjahres weist auf erhebliche Risiken hin. Immer wieder mussten Ausschreibungen aufgehoben werden, weil ihre Ergebnisse so weit von den Kostenberechnungen der Stadt abwichen, dass es unverantwortlich gewesen wäre, derartige Kostensteigerungen schlicht zu akzeptieren; zuletzt traf dies die seit langem geplante Kalthalle, die für den Tübinger Norden, auch für die Schulen, von besonderer Bedeutung ist.
Auch wenn man in einem zweiten Anlauf etwas günstigere Ergebnisse erzielen konnte, liegen die Vergabesummen meist doch deutlich über den Haushaltsansätzen; und dieses Mehr muss gedeckt werden, indem bei vielen anderen Projekten aktuell (noch) nicht benötigte Mittel weggenommen und umgeschichtet werden. – Im nächsten oder im übernächsten Jahr müssen diese Beträge dann aber doch bereitgestellt (und insofern nachfinanziert) werden, wenn man einzelne Projekte nicht gänzlich aufgeben will.
Und bei den größeren Projekten, die das Prestige der Stadt mehren sollen – Anlagenpark, Radbrücke West – gibt es bei Kostensteigerungen zwar meist auch höhere Zuschüsse von Bund und Land, gleichwohl steigt aber auch die Nettobelastung des städtischen Haushalts an. Und da auch die laufenden Ausgaben steigen, schrumpfen am Ende die Spielräume für Neues. Vorsicht ist also geboten – und der Mut, Prioritäten zu setzen.
Dietmar Schöning
FDP-Fraktion im Kreistag